Geteilter Fahrschein, volle Mobilität

Goethe- Institut China
Beitrag von Juliane Wiedemeier

 

Werbung fürs Ticket-Teilen am Bahnhof Friedrichstraße; Foto: www.ticketteilen.org

 

 

 

Werbung fürs Ticket-Teilen am Bahnhof Friedrichstraße; Foto: www.ticketteilen.org

Bus und Bahn sind teuer. Nicht jeder kann sich ein Ticket leisten. Doch es gibt Ideen, wie sich das ändern lässt.

Abends in der S-Bahn. Die Türen machen das lustige, heulende Geräusch, das sie immer machen, bevor sie schließen. Dann ruckelt die Bahn an, und im gleichen Moment rufen zwei Männer, die bislang nicht weiter aufgefallen sind: „Die Fahrscheine bitte.“

Eigentlich nichts Besonderes: Wer in Berlin mit Bus und Bahn unterwegs ist, der braucht einen Fahrschein. Damit sich alle an die Regel halten, gibt es regelmäßig Kontrollen. 40 Euro kostet es, wenn man beim Schwarzfahren erwischt wird. Für die einen nur ein bisschen Geld und ein bisschen Nervenkitzel. Für andere jedoch ein existenzielles Problem.

Denn Bahnfahren wird in der Stadt immer teurer. 2011 kostete ein einfacher Fahrschein, mit dem man zwei Stunden in den zentralen Gebieten Berlins unterwegs sein kann, noch 2,30 Euro. Ein Jahr später wurde der Preis auf 2,40 Euro erhört, im Sommer 2013 war man dann bei 2,60 Euro. Eine Monatskarte kostet mittlerweile 78 Euro. Selbst die ermäßigte Version für sozial Schwache liegt bei 36 Euro.

Mit solchen Preisen wird ganzen Gesellschaftsgruppen bewusst die Mobilität verwehrt. Meint man zumindest bei den Natur-Freunden Berlin. Erleben und Erhalt der Umwelt sind die Interessen des Vereins; seine Mitglieder sind gegen Atomenergie, kämpfen gegen den Klimawandel und engagieren sich auch in der Verkehrspolitik. Ihre neuester Coup: Das Ticket-Teilen.

Die Idee ist eigentlich recht simpel und macht sich eine Besonderheit des Berliner Monatstickets zu nutze. Dieses erlaubt nämlich seinen Besitzern, abends und am Wochenende noch einen weiteren Erwachsenen sowie drei Kinder bis 14 Jahren zusätzlich mitzunehmen. Nicht immer wird diese Kapazität jedoch ausgenutzt. Hier kommt das geteilte Ticket ins Spiel.

Mit einem Button sollen Menschen mit Monatskarte signalisieren, dass sie gerne bereit sind, jemanden auf ihrem Ticket mitzunehmen. Zwar hat man nicht immer das gleiche Ziel – ganz so komfortabel wie die Reise mit dem eigenen Fahrschein ist die mit dem geteilten also nicht. Aber es geht auch um die Sache an sich: Es soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie viele Menschen von Alltäglichem ausgeschlossen werden, weil es ihnen am Geld fehlt, und wie leicht man sich ihnen gegenüber solidarisch zeigen kann.

Etwa 12.000 Buttons seien derzeit im Umlauf und immer noch kämen Anfragen, erzählt Judith Demba, die Geschäftsführerin der Natur-Freunde. Auch andere Städte wie Hannover oder Erfurt interessierten sich für das Konzept. „Die Berliner Verkehrsbetriebe finden die Kampagne legitim – ist sie ja auch“, meint Demba. „Unterstützen wollen sie sie aber nicht.“

Auch an anderen Stellen macht man sich Gedanken über das Bezahlsystem bei Bus und Bahn. Die Piratenpartei, die im Berliner Landesparlament mit 15 Abgeordneten vertreten ist, tritt etwa für einen völlig fahrscheinlosen Nahverkehr ein. Bewusst nennen sie ihn nicht kostenlos, denn Kosten für Betrieb, Fahrzeuge und Personal entstehen ja. Statt über Tickets sollen diese jedoch über Steuern refinanziert werden. Eine politische Mehrheit hat sich dafür bislang nicht gefunden.

Goethe-Institut China  /Stadtgeschichten – Berlin
Originalbeitrag